Auf dem Holzsteg ins Pfälzer Himmelreich
Der Pfälzerwald hat einen in der Krone: Es ist Deutschlands erster Baumwipfelpfad. Er führt im Dahner Felsenland auf zwei Wegen zu den Wipfeln. Ob sanft oder abenteuerlich – der luftige Lehrpfad baut auf Lärchenholz und Stahl: Wipfelstürmer gehen bei ihren Höhenflügen im Zickzackkurs auf Nummer Sicher.
Nirgendwo ist ein Auto zu sehen, kein Zivilisationslärm zu hören. Der hölzerne Lehrpfad fällt im dichten Wald kaum auf – selbst die 19 Stahlstützen nicht. „Wir wollen zeigen, wie der Mensch im Einklang mit der Natur leben kann“, erklärt Ulrich Diehl. Der Diplom-Biologe ist Chef des Biosphärenhauses, das mitten im Biosphärenreservat Pfälzerwald/Nordvogesen liegt. Der Naturpark erstreckt sich 60 Kilometer von Nord nach Süd und 30 Kilometer von Ost nach West und ist das weltweit einzige grenzüberschreitende Reservat zwischen Deutschland und Frankreich. Dazu gehören neben dem Baumwipfelpfad auch ein Erlebnisweg und der neue Wasserlehrpfad, der die Sauer mit 14 Stationen auf 1,5 Kilometern begleitet. Naturliebhaber kommen dort auf sanfte Tour Himmel und Erde näher – zwischen kleinen Abenteuern, großen Erlebnissen und vielen Einblicken. Mehr als 1 000 Besucher pro Tag belegen, dass der Pfad bundesweit ein echtes Zugpferd ist.
Manche Knie werden beim ersten Mal weich, mancher Magen grummelt verdächtig. 35 Meter sind es vom Aussichtsturm bis zum festen Boden unter den Füßen: Die Plattform aus Stahl erzittert leicht in Hochhaushöhe, jeder Schritt abwärts trifft schwankende Planken, birgt aber kein Risiko. Denn auf dem 270 Meter langen Baumwipfelpfad in Fischbach sorgen wuchtige Seil- und Tellerbücken sowie die fast neun Meter lange Hängebrücke mit engmaschigen Netzen und fingerdicken Tauen für Sicherheit in luftiger Höhe.
Rasant ist der Abgang nur über die 40 Meter lange Baumrutsche. Es gibt jedoch auch einen beschaulichen Weg zurück auf den Boden der Tatsachen, damit Besucher sogar mit Kinderwagen und Rollstuhl dem Pfälzerwald bedenkenlos aufs Dach steigen können. Auf dem hölzernen Pfad brauchen sie nicht einmal Angst vor der Gemeinen Kiefer zu haben. Denn die trägt ihren Namen nicht etwa, weil sie besonders hinterhältig, sondern weil sie so gewöhnlich ist.
Josef Hammer zählt sich eindeutig zu den mutigen Wipfelstürmern: Das Lächeln ist selbstbewusst, kein Blick für Abgründe, dafür umso mehr fürs Dahner Felsenland, das zu mehr als 76 Prozent aus Kiefern, Buchen, Fichten, Eichen und Kastanien besteht. „In Rheinland-Pfalz steht für jeden Bürger mehr Wald zur Verfügung als anderswo. Im Durchschnitt gibt es pro Einwohner rund 2100 Quadratmeter“, freut sich Josef Hammer. Für den Bürgermeister aus Fischbach ist selbst die Dschungelbrücke mit dem 25 Zentimeter dicken Seil zum Balancieren kein Härtetest, denn er kennt die hohen Sicherheitsstandards. Und das Biosphärenreservat gehört zu seinen Lieblingsprojekten: „Es ist in seiner Kernzone vollkommen naturbelassen. In der Mitte darf Land- und Forstwirtschaft betrieben werden.“ Vom Baumwipfelpfad aus entdecken Besucher mit dem Fernglas die Weite des Waldes. Versteckt im Grün liegen 20 Burgen, die in der Region auf bizarren Felsen thronen.
Hoch hinaus geht es auf dem Pfad über eine stählerne Wendeltreppe bis ganz nach oben auf den Turm zum Adlerhorst. Hausherr Ulrich Diehl genießt den Ausblick immer wieder aufs Neue und schwärmt von seinem „Freilandlabor“ in höchsten Tönen. „Wir haben das Optimale rausgeholt.“ Das hat sich auch im Pfälzer Blätterwald rumgesprochen. Die 15 wichtigsten Vogelarten der Pfalz plaudern ihre Geheimnisse in Augenhöhe aus. Geschwätzig sind Kleiber und Buchfink. Rotkehlchen und Zaunkönig, Goldhähnchen und Eisvogel. Auch der Specht kann über den Wipfeln nicht für sich behalten, warum er beim Klopfen keine Kopfschmerzen kriegt. 1 000 Schläge pro Minute steckt er dank seines dicken Schädels locker weg.
Und was der Wald nicht verrät, erklären hölzerne Tafeln und Schaukästen an meist interaktiven Stationen – kindgerecht und ohne Wipfelstürmer mit trockenen Fakten zu bombardieren. So verdeutlicht eine Station der Pädagogischen Hochschule Heidelberg auf einer Plattform die Zuckerproduktion durch Photosynthese – mit Hilfe von Solarzellen und so, dass es auch die jüngsten Besucher verstehen. „Wir wollen den Besuchern ein Gefühl für den Lebensraum geben, in dem die Waldtiere leben“, sagt Diehl. Er weiß: „Beim ersten Besuch steht meist die Höhe im Vordergrund.“ Fischadler, Siebenschläfer, Prachtlibellen, Rüsselkäfer, Wildbienen und all die anderen tierischen Artgenossen interessieren erst später. Die Biologen setzen trotzdem auf die Neugier, die in den Wipfeln wacher wird: „Hier oben wird die Wissbegierde auf völlig neue Fragen gelenkt. Und wenn vier Fakten hängen bleiben, haben wir schon gewonnen.“
Spätestens bei der zweiten Exkursion in luftiger Höhe prägt sich ein, dass ein Eichhörnchen seinen buschigen Schwanz als Fallschirm dringend braucht und jede Eule ihren eigenen Parabolspiegel hat. Ein Trichter aus Federn rund um jedes Auge verstärkt Geräusche, bevor sie im Eulenohr landen. Zwei gelbe Plastik-Krater zum Überstülpen demonstrieren, wie die Eule Schallwellen bündelt und so ihren Lauschangriff erfolgreich startet. Nach Einbruch der Dunkelheit führen Fachleute mutige Besucher des Baumwipfelpfades sogar zu den Nachtschwärmern des Waldes. Sie spüren mit einem „Bat-Detektor“ die Fledermäuse auf, die in der Pfalz ihrem schlechten Ruf als blutsaugende Vampire ganz und gar nicht gerecht werden. Der Bat-Detektor gibt nur selten Ruhe, denn er übersetzt mit einem knatternden Geräusch die Sprache der nachtaktiven Tiere. Ansonsten herrscht Ruhe im Pfälzer Busch.
Infos: Biosphärenhaus Pfälzerwald/Nordvogesen, 66996 Fischbach, Telefon 06393/92 100, www.wipfelpfad.de; Eintritt: Erwachsene 8 Euro, Kinder 6 Euro, Familienkarte ab 12 Euro. Übernachtungsmöglichkeiten in Fischbach und Umgebung und Sonderveranstaltungen nach Absprache.
Käfer- und Bienen-WG im Hochhaus für Insekten
Im Pfälzerwald ist tierisch viel los: Über den Wipfeln schlängelt sich Deutschlands erster Baumwipfelpfad in bis zu 35 Metern Höhe, und darunter geht ein neuer Lehrpfad dem fließenden Wasser auf den Grund. Ab Mai lernen Kinder und Erwachsene im Biosphärenreservat in Fischbach, warum Männchen häufig blau sind und Weibchen gerne grün tragen.
Schilfkäfer und Wildbienen teilen sich im Wald eine Wohnung: Sie haben ihre WG in einem Hochhaus für Insekten gegründet. „In diesem Riesenschilfrohr lässt es sich wunderbar leben und sogar den Pfälzer Winter überstehen“, weiß Diplom-Biologe Ulrich Diehl. 14 Stationen für den 1,5 Kilometer langen Wasserlehrpfad hat das Biosphärenhauses an der Sauer errichtet – alle durchdacht, meist interaktiv und in gut einer Stunde locker zu durchlaufen. Die Naturräume sind geprägt von Klima, Bodenverhältnissen und auch vom massiven Einfluss des Menschen. „Der Pfälzerwald hat auf Sand gebaut. Wäre der Boden fruchtbar, wären seine Bäume längst dem Ackerbau gewichen“, erklären Biologen das dichte Mosaik aus Kiefern, Buchen, Fichten, Eichen und Kastanien. Noch heute sind 75 Prozent des Reservates dicht bewaldet.
Auf dem Wasserlehrpfad geht es niemals trocken zu: Physikalische Gesetze werden kindgerecht vermittelt und der pfälzischen Natur und deren Bewohnern kräftig auf den Zahn gefühlt. Gleich an der ersten Station wird im Quellhäuschen der Wasserkreislauf klar, denn Pumpe, Aquarium und Regen simulieren anschaulich, wie die Natur es regelt. Nebenan sehen Besucher im Kleinformat, wie das rund 1000 Quadratmeter große Biosphärenhaus mit Sonnenenergie und Grundwasserwärme beheizt wird. Und mit Hilfe von Modellen wird auch deutlich, warum der Fisch nicht zu Boden geht oder wie ein Korken an der Wasseroberfläche schwimmt: Seine luftgefüllte Blase hilft ihm dabei, und sein stromlinienförmiger Körper verhindert, dass er abgetrieben wird.
„Die Sauer ist unser eigener Hausbach“, schmunzelt Ulrich Diehl und ergänzt: „Mit dem Wasser-Erlebnispfad haben wir jetzt ein komplettes Wegenetz. Ausgangspunkt ist immer das Biosphärenhaus, das mit einer modifizierten Ausstellung auf das Naturschauspiel einstimmt.“ Und von dort geht es entlang der Sauer zu den Wurzeln des Wassers. Unzählige Quellen sprudeln im Biosphärenreservat, und von hier kommt das Trinkwasser für die gesamten Region.
Wasserkäfer lieben es feucht – und fühlen sich schon allein deshalb hier pudelwohl. Und sie sind an der Sauer in guter Gesellschaft, denn der Pfälzer Wals ist ein Naturparadies: Nutrias ernten unter den Wipfeln, Graureiher fischen mit seltener Gelassenheit, und Prachtlibellen schweben anmutig wie Elfen durch die Luft und betören mit leuchtenden Farben. An der vierten Station des Wasserlehrpfads wird klar: Männchen sind stets blau, und Weibchen tragen mit Vorliebe grün. Eher wie ein Wurm sieht das Bachneunauge aus. „Er ist so etwas wie der ursprüngliche Fisch. Kaum ist er erwachsen, nimmt er keine Nahrung mehr auf, sondern legt Eier und stirbt“, beschreibt Ulrich Diehl die eher merkwürdigen Lebensgewohnheiten. Wer ihn in der Sauer sucht, entdeckt bisweilen sogar einen Wasserskorpion. Der sieht zwar aus wie sein tödlicher Namensvetter, benutzt seinen Stachel aber lediglich als Schnorchel.
Infos: Biosphärenhaus Pfälzerwald/Nordvogesen, 66996 Fischbach, Telefon 06393/92 100, www.wipfelpfad; Eintritt: Erwachsene 8 Euro, Kinder 6 Euro, Familienkarte ab 12 Euro.
Wo Wipfelstürmer dem Wald aufs Dach steigen
Fernsicht, Einsicht und Aussicht: Auf Deutschlands erstem Baumwipfelpfad in Fischbach steigen Naturliebhaber im Zickzackkurs dem Pfälzer Wald in die
Krone – und genießen dabei unbekannte Perspektiven. Holzwege und Hängebrücken führen die Besucher in die fantastische Welt der Wipfel. Zehn interaktive Mitmach-Stationen zeigen auf dem 270 Meter langen Pfad anschaulich, warum Blattlaus und Biene aneinander hängen und das Eichhörnchen ohne Schwanz verloren wäre. Einen Hauch von Dschungel-Abenteuer vermitteln die schwankenden Seil- und Tellerbrücken, Weitblick verspricht der Aufstieg zum „Adlerhorst“. Bis zu 35 Meter trennen Wurzeln und Wipfelgipfel. Vom höchsten Turm des luftigen Lehrpfades schweift der Blick über das Biosphärenreservat Pfälzer Wald/Nordvogesen. Auch die Sauer ist zu sehen: Am Ufer des Baches geht es niemals trocken zu, denn dort verläuft jetzt ein 1,5 Kilometer langer Wasserlehrpfad, der an 14 Stationen physikalische Gesetze und tierische Bewohner kindgerecht erklärt. Dem Aufstieg folgt auf Wunsch ein rasanter Abgang: Die 40 Meter lange Baumrutsche gehört zu den Attraktionen des Pfades. Wer es beschaulicher mag: Zu den Abenteuer-Wegen gibt es immer Alternativen. Besucher mit Kinderwagen oder im Rollstuhl kommen ganz gemütlich auf dem Holzweg durch die hohen Bäume. Infos: Biosphärenhaus Pfälzerwald/Nordvogesen, 66996 Fischbach, Telefon 06393/92 100, www.wipfelpfad.de; Eintritt: Erwachsene 8 Euro, Kinder 6 Euro, Familienkarte ab 12 Euro. Übernachtungsmöglichkeiten in Fischbach und Umgebung und Sonderveranstaltungen
nach Absprache.
Foto: Biosphärenhaus Pfälzer Wald
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